Schweizer Vorsorgeeinrichtungen kämpfen mit dem Anlageumfeld

Schweizer Vorsorgeeinrichtungen waren im ersten Halbjahr mit einem sehr schwierigen Anlageumfeld konfrontiert: Inflationsdruck, Zinsanstieg, gestörte Lieferketten, Energiekrise, Ukraine-Krieg sowie die Covid-19-Pandemie in China führten zu einer signifikanten Verschlechterung ihrer finanziellen Lage. Dies zeigen die Hochrechnungen der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK BV). Waren die Vorsorgeeinrichtungen per Ende 2021 mit einem durchschnittlichen Deckungsgrad von 118.5% finanziell noch sehr gut aufgestellt, sank dieser Wert per 30.06.2022 auf 103.4%.

Rechnerisch befinden sich aktuell 285 Vorsorgeeinrichtungen in Unterdeckung (gegenüber 13 per Ende 2021). Bei diesen Einrichtungen wären die Vorsorgeverpflichtungen aktuell nicht zu 100% gedeckt. Kapitalgewichtet entspricht diese Unterdeckung einem Wert von 39.9% der Vorsorgeeinrichtungen (gegenüber 0.1% per Ende 31.12.2021).

Negative Renditen resultierten in fast allen Anlagekategorien

Nach einer sehr hohen durchschnittlichen Netto-Vermögensrendite von 8.0% 2021 zeigen sich seit Jahresbeginn in fast allen Anlagekategorien negative Renditen. Die durchschnittliche Rendite im ersten Halbjahr 2022 beträgt -12.3%. Dies zeigt auf, wie rasch und einschneidend sich Kurseinbrüche zumindest kurzfristig auf die finanzielle Lage der Vorsorgeeinrichtungen auswirken können. Die stärksten Einbrüche zeigten sich in den Anlagekategorien Aktien (-17.4%), Obligationen (-10.1%), Immobilien (-9.5%) und alternative Anlagen (-15.4%). Demgegenüber konnten die Anlagekategorien Liquidität (-0.4%) und Infrastruktur (+1.2%) ihr Niveau in etwa halten.

Wertschwankungsreserven schrumpfen

Damit Vorsorgeeinrichtungen Schwankungen tragen können, sind sie gesetzlich verpflichtet, Wertschwankungsreserven zu bilden. Per Ende 2021 lag die durchschnittliche Zielgrösse der Wertschwankungsreserven bei 17.9% der Vorsorgekapitalien. Um ihre Verpflichtungen weiterhin zu garantieren, mussten viele Vorsorgeeinrichtungen in der ersten Jahreshälfte diese Reserven anzapfen. Kapitalgewichtet verfügt nur noch jede dritte Vorsorgeeinrichtung (32.9%) über mehr als einen Drittel ihrer Wertschwankungsreserven.

Vorsorgeeinrichtungen nehmen periodische Unterdeckungen in Kauf

Vorsorgeeinrichtungen nehmen nötigenfalls auch periodische Unterdeckungen in Kauf. Dies ist vom Gesetz so vorgesehen, und die Erfahrungen aus der Finanzkrise 2008 bestätigen die Richtigkeit dieses Vorgehens. Angesichts der aktuellen Herausforderungen auf den Kapitalmärkten ist es besonders wertvoll, dass die Vorsorgeeinrichtungen im Durchschnitt mit genügend Wertschwankungsreserven, d.h. mit einem hohen Deckungsgrad in dieses Jahr starten konnten. Damit sind viele Vorsorgeeinrichtungen in der Lage, Verwerfungen auf den Kapitalmärkten ganz oder zumindest teilweise abzufedern. Die künftigen Entwicklungen der Finanzmärkte sind jedoch schwer abzuschätzen.

Finanzielle Lage der Vorsorgeeinrichtungen wird überwacht

Die OAK BV schätzt die finanzielle Lage der Vorsorgeeinrichtungen in der Schweiz zeitnah. Basierend auf der jährlichen Umfrage zur finanziellen Lage der Vorsorgeeinrichtungen werden monatliche Hochrechnungen erstellt, die auf den individuellen Anlagestrategien der Vorsorgeeinrichtungen sowie der effektiven Entwicklung der Anlagemärkte fussen. Insgesamt flossen die Daten von 1’324 Vorsorgeeinrichtungen mit einer Bilanzsumme von rund 831 Milliarden Franken in die Hochrechnung per Ende Juni 2022 ein. Das Monitoring beschränkt sich auf Vorsorgeeinrichtungen ohne Staatsgarantie und ohne Vollversicherungslösung.

Über die Oberaufsichtskommission

Die OAK BV ist eine unabhängige Behördenkommission. Sie wird vollständig über Abgaben und Gebühren finanziert. Für die Direktaufsicht der Vorsorgeeinrichtungen sind die insgesamt acht regionalen Aufsichtsbehörden am Sitz der jeweiligen Einrichtung zuständig. Deren Oberaufsicht durch die OAK BV erfolgt unabhängig von Weisungen des Parlamentes und des Bundesrates. Direkt von der OAK BV beaufsichtigt werden hingegen die Anlagestiftungen sowie der Sicherheitsfonds und die Auffangeinrichtung. Zudem ist die OAK BV Zulassungsbehörde für die Experten für berufliche Vorsorge.