Die AHV 21-Reform geht alle an

Schweizer Stimmbürger entscheiden am 25. September 2022 über die Reform zur Stabilisierung der AHV (AHV 21). Diese Reform beeinflusst auch die berufliche Vorsorge, etwa durch die Festsetzung des Rentenalters und die Flexibilisierung.

Eine gesunde AHV ist für die Menschen in der Schweiz von grösster Bedeutung, erklärt der Bundesrat mit allem Nachdruck. Tatsächlich aber gerät die AHV nach 25 Jahren ohne umfassende Reform finanziell zunehmend in Schieflage. Mit der Reform würden die Finanzen der AHV für rund zehn Jahre stabilisiert, und die Renten auf dem heutigen Niveau gesichert.

Ausgaben der AHV steigen stärker als ihre Einnahmen

Aktuell erhalten 2,6 Millionen Rentnerinnen und Rentner eine AHV-Rente. Für die meisten stellt sie einen wesentlichen Teil ihres Einkommens dar. Die Renten sind aber nicht mehr gesichert, weil die Ausgaben der AHV stärker steigen als ihre Einnahmen. Erstens erreichen geburtenstarke Jahrgänge das Pensionsalter; die Zahl der Pensionierten, die AHV beziehen, nimmt schneller zu als die Zahl der Erwerbstätigen, die in die AHV einzahlen. Zweitens müssen mit der steigenden Lebenserwartung die Renten immer länger ausbezahlt werden. So werden in ein paar Jahren die Einnahmen nicht mehr ausreichen, um alle AHV-Renten zu decken. In den nächsten zehn Jahren benötigt die AHV zusätzliche 18,5 Milliarden Franken, um ihren Verpflichtungen nachkommen zu können.

Neues Renten-Referenzalter soll für Mann und Frau vereinheitlicht werden

Mit der Reform AHV 21 würde für Mann und Frau ein einheitliches AHV-Alter von 65 Jahren eingeführt. Dieses würde die Bezugsgrösse für die flexible Pensionierung bilden und deshalb neu als Referenzalter bezeichnet: Wer mit 65 die Rente bezöge, würde diese ohne Abzüge oder Zuschläge erhalten. Das neue Referenzalter 65 würde auch für die berufliche Vorsorge (Pensionskasse) gelten.

Die Erhöhung des AHV-Alters kann für Frauen, die kurz vor der Pensionierung stehen, einen grossen Einschnitt in die Lebensplanung bedeuten. Darum soll die Erhöhung mit Ausgleichsmassnahmen abgefedert werden. Diese kämen den Frauen der Jahrgänge 1961 bis 1969 zugute (bei Inkrafttreten der Reform Anfang 2024). Die Ausgleichsmassnahmen sollen aus einem Vorbezug zu günstigeren Bedingungen oder aus einem Zuschlag auf der AHV-Rente, wenn diese nicht vor dem Referenzalter bezogen wird, bestehen. Die Ausgleichsmassnahmen würden sozial abgestuft: Frauen, die vor der Pensionierung ein tiefes Einkommen hatten, würden davon am meisten profitierten.

Die Angleichung des AHV-Alters der Frauen an jenes der Männer ist aus Sicht von Bundesrat und Parlament gerechtfertigt. Ihr Argument: Die Frauen sind heute besser ausgebildet als früher, sind zunehmend berufstätig und leben länger als die Männer. Die Ausgleichsmassnahmen würden dabei für eine sozial ausgestaltete Abfederung der Rentenaltererhöhung sorgen. Rund ein Drittel der Einsparungen gingen so an die Frauen zurück.

Rentenbezug soll flexibilisiert werden

Viele ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer möchten die Erwerbstätigkeit schrittweise reduzieren, argumentieren die Befürworter der Reform weiter. Die AHV 21 käme diesem Bedürfnis entgegen. Die Rente könne zwischen 63 und 70 Jahren ab jedem beliebigen Monat bezogen werden. Neu würde es auch möglich sein, nur einen Teil der Rente zu beziehen. Wie das neue Rentenalter 65 würde auch die Flexibilisierung gleichzeitig in der beruflichen Vorsorge verankert.

Die Reform soll zudem Anreize schaffen, über 65 hinaus erwerbstätig zu bleiben. Wer nach dem Referenzalter weiterarbeitet und Beiträge bezahlt, könnte neu die AHV-Rente verbessern, bis höchstens zur Maximalrente von 2390 Franken (Ehepaare: 3585). Denn die zusätzlichen Beiträge würden bei der Berechnung der Rente berücksichtigt. Das würde nicht nur den Versicherten selber helfen, die Beitragslücken schliessen könnten, sondern auch der Wirtschaft, die dringend auf Fachkräfte angewiesen ist.

Erhöhung des Frauenrentenalters würde die Ausgaben verringern

Die Erhöhung des Frauenrentenalters würde die Ausgaben der AHV in den nächsten zehn Jahren um rund 9 Milliarden Franken verringern. Die Ausgleichsmassnahmen würden im Gegenzug rund 2,8 Milliarden Franken kosten. Weitere Anpassungen bei den Leistungen, etwa die flexible Pensionierung, würden den Aufwand der AHV um rund 1,3 Milliarden Franken erhöhen. Insgesamt würde die AHV 21 die Rechnung der AHV bis 2032 somit um rund 4,9 Milliarden Franken entlasten.

Erhöhung der Mehrwertsteuer wird notwendig

Diese Einsparungen reichen nicht, um die Finanzen der AHV zu stabilisieren und die Renten zu sichern. Darum enthält die AHV 21 auch Mehreinnahmen. Dazu würde die Mehrwertsteuer erhöht: Der Normalsatz würde von heute 7.7% auf 8.1% steigen. Güter des täglichen Bedarfs würden weniger stark besteuert. Der dafür geltende reduzierte Mehrwertsteuersatz würde von 2.5% auf 2.6% steigen, der Sondersatz für die Beherbergung würde im gleichen Mass von 3.7% auf 3.8% steigen.

Für den Bundesrat ist diese minime Erhöhung der Mehrwertsteuer gerechtfertigt und notwendig. Sie trage massgeblich zur Sicherung der AHV bei, so sein Argument. Wolle man die Finanzen der AHV allein mit Einsparungen stabilisieren, wäre ein einschneidender Abbau der Leistungen notwendig.

Finanzierungslücke bleibt für nächste AHV-Reform

Die Erhöhung der Mehrwertsteuer würde der AHV bis 2032 zusätzliche Einnahmen von schätzungsweise 12,4 Milliarden Franken verschaffen. Zusammen mit den Einsparungen von rund 4,9 Milliarden Franken ergäbe das bis 2032 eine Entlastung der AHV-Finanzen um etwa 17,3 Milliarden Franken. Laut Berechnungen des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) bleibt eine Finanzierungslücke von rund 1,2 Milliarden Franken, die nach dem Willen des Parlaments in einer nächsten AHV-Reform angegangen werden soll (Motion 21.3462 «Auftrag für die nächste AHV-Reform»).

Kompromiss für stabile AHV und sichere Renten ist ausgewogen

Die Reform zur Stabilisierung der AHV sei ein ausgewogener Kompromiss aus Mehreinnahmen und Einsparungen, erklärt der Bundesrat. Und er warnt: Mit der AHV 21 würde die Finanzierung der Renten für die nächsten rund zehn Jahre gesichert. In den letzten 25 Jahren sei keine umfassende Reform der AHV mehr gelungen. Je länger zugewartet werde, desto teurer würde es für künftige Generationen, die Finanzen der AHV wieder ins Gleichgewicht zu bringen und die AHV-Renten zu sichern.

Argumente der Gegnerinnen und Gegner

Die Gegnerinnen und Gegner der Vorlage argumentieren, es werde einseitig auf Kosten der Frauen gespart, obwohl diese heute um einen Drittel tiefere Altersrenten (AHV und Pensionskasse zusammen) erhielten. Und das sei nur der erste Schritt, denn das Rentenalter 67 für alle stehe schon auf dem Programm. Die AHV 21 sei die erste Abbauvorlage von vielen, die alle betreffe.

AHV-Reform besteht aus zwei Vorlagen

Mit der einen Vorlage wird die Mehrwertsteuer zugunsten der AHV erhöht. Diese Erhöhung ist eine Verfassungsänderung, über die zwingend abgestimmt werden muss. Mit der anderen Vorlage werden die Leistungen der AHV angepasst. Gegen diese Anpassungen wurde das Referendum ergriffen. Die beiden Vorlagen sind miteinander verknüpft; wenn eine der beiden abgelehnt wird, scheitert die ganze Reform.