Sozialversicherungswesen wird europaweit koordiniert

Die Mobilität von Arbeitnehmenden hat in den vergangenen Jahrzehnten stark zugenommen. Um die Personenfreizügigkeit zu erleichtern, werden die Systeme der sozialen Sicherheit innerhalb der Europäischen Union (EU) zunehmend koordiniert. So soll der Verlust von Leistungsansprüchen bei Umzügen innerhalb der EU vermieden werden und die soziale Absicherung beim Wechsel von einem Rechtssystem in ein anderes gewehrleistet bleiben. Dazu wurde eine neue europäische Verordnung (Nr. 883/2004) eingeführt, welche die bisher gültige Verordnung (Nr. 1408/71) ablöst.

Für die Schweiz gilt vorderhand die alte Verordnung

In den Mitgliedsstaaten der EU ist die neue Verordnung seit 1. Mai 2010 in Kraft. Um sich dem neuen System anzupassen, wird den Mitgliedsstaaten eine Übergangsfrist von zwei Jahren eingeräumt. In der Schweiz wird diese Verordnung nach Ratifizierung durch das Parlament eingeführt. Das Ratifizierungsverfahren ist schon angelaufen. Bis zur Einführung des neuen Rechts bleibt auf Beziehungen zwischen den Sozialversicherungssystemen der Schweiz und der EU sowie des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) die alte Verordnung anwendbar.

Anwendungsbereiche werden erweitert

Die neuen Regelungen weiten den sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich der jetzigen Bestimmungen aus. So erstrecken sie sich etwa auch auf den Vorruhestand. Neu werden auch das Prinzip der Zusammenrechnung aller Zeiträume, in denen Ansprüche erworben wurden, sowie das Gleichstellungsprinzip mit sämtlichen in dieser Verordnung erwähnten Leistungen, angewendet.

Anschluss an das Sozialversicherungssystem wird ausgeweitet

Ein vorübergehend von seinem Arbeitgeber entsandter Arbeitnehmender kann dem Sozialversicherungssystem seines Herkunftslandes neu bis zu 24 Monate angeschlossen bleiben. Zuvor waren nur 12 Monate möglich. Insgesamt kann der Zeitraum der Entsendung von den zuständigen Staaten im gegenseitigen Einvernehmen auf maximal 5 Jahre verlänger werden. Die Beschäftigungsdauer vor der Entsendung sollte laut Empfehlung der Europäischen Kommission allerdings mindestens einen Monat betragen haben.

Geltendes Recht wird verankert

Die neue Verordnung klärt auch, welches Recht bei Mehrfachbeschäftigten anzuwenden ist. Übt ein Arbeitnehmender mehrere Tätigkeiten in verschiedenen Mitgliedsstaaten aus, so wird er dem Sozialversicherungssystem seines Wohnlands angeschlossen, sofern er dort eine so genannt substantielle Tätigkeit ausübt. Das bedeutet, er muss mehr als 25% seiner Arbeitszeit dort leisten und dort entlohnt werden. Menschen, die sowohl angestellt als auch selbstständig tätig sind, werden dem Sozialversicherungssystem desjenigen Landes angeschlossen, in dem sie ihrer angestellten Beschäftigung nachgehen.

Die neue Verordnung schafft bestehende Ausnahmen zudem ab und kräftigt das Prinzip der Einheitlichkeit des anwendbaren Rechts. Fahrendes Personal internationaler Transportunternehmen etwa wird den allgemeinen Bestimmungen über das anwendbare Recht unterstellt. Diesbezügliche Sonderregelungen wurden aufgehoben.

Unternehmen sollten sich vorbereiten

Wie das Beratungsunternehmen Ernst & Young anmerkt, könnten sich die normativen Neuerungen zu einer Quelle gewisser Risiken entwickeln, auf die sich Unternehmen frühzeitig vorbereiten sollten. Als Risiken werden eine fehlende Vertrautheit mit den neuen Regelungen und Verfahren gewertet, ebenso wie der administrative Mehraufwand und die Komplexität aufgrund der Koexistenz zweier Regelwerke. Diese Risiken könnten nur durch eindeutige, vordefinierte und zentralisierte Verfahren im Unternehmen bewältigt werden.