Die Schuldenkrise in Europa belastet den Euro und die Anleihenmärkte

Die Schuldenkrise in Europa spitzt sich zu. Die Zahl der Länder, die sich am finanziellen Abgrund bewegen, wird immer grösser. Der Euro testet wöchentlich neue Tiefstmarken und die Risikoaversion der Anleger nimmt zu.

Die Schuldenkrise begann mit der Finanzkrise 2007. Um die Wirtschaft zu stabilisieren bzw. zu stimulieren und das Abdriften in eine Rezession zu verhindern, haben etliche Staaten Europas viel Geld zur Verfügung gestellt. Sie haben sich weiter hoch verschuldet, während in der Privatwirtschaft damit ein Entschuldungsprozess eingesetzt hat. Viele Staaten haben ihre Schulden über den Kapitalmarkt finanziert. Sie haben unter anderem Anleihen ausgegeben. Solange das Vertrauen der Anleger in die Fähigkeit dieser Staaten, ihre Schulden zurückzahlen zu können, vorhanden war, funktionierte der Markt gut. Die Wirtschaft wurde angekurbelt, die Märkte erholten sich und die Wirtschaft begann zu wachsen.

2010 geraten die ersten europäischen Staaten in Zahlungsnot

Das funktionierte bis 2010. Im Frühjahr vergangenen Jahres gerieten Griechenland, Irland, Portugal und Spanien in Zahlungsnot. In einzelnen dieser Länder war die private Verschuldung, insbesondere im Immobilienbereich, besonders hoch gewesen und die Immobilienpreise brachen ein. Um einen Rückfall in die Rezession zu verhindern, griffen die Staaten erneut finanziell ein. Damit verschlechterte sich ihre finanzielle Lage und sie gerieten ins Visier von Ratingagenturen wie Standard & Poor's (S&P) und Fitch, welche den Ausblick für ihre Kreditwürdigkeit senkten. Das Vertrauen der Anleger schwand und diese Staaten konnten sich kaum mehr über den Kapitalmarkt finanzieren.

Ein Hilfspaket wird geschnürt

Die Europäische Union (EU) beschloss daraufhin ein Rettungspaket. Es besteht aus mehreren Teilen und umfasst insgesamt rund 750 Milliarden Euro. Droht einem Euro-Land die Zahlungsunfähigkeit, greifen eine Reihe von Hilfsmechanismen. Die erste Stufe ist ein Notfallfonds, der durch den EU-Haushalt garantiert wird und bis zu 60 Milliarden Euro umfasst. Er bietet Staaten den Vorteil, dass die Zinsen, die sie für geliehenes Geld aus dem Rettungsfonds zahlen müssen, geringer sind als jene, die das Land aktuell am Finanzmarkt zahlen müsste. Im Gegenzug muss das Land vor der EU und vor dem Internationalen Währungsfonds (IWF) bei der Gestaltung seiner Haushaltsausgaben und -Einnahmen Rechenschaft ablegen und allenfalls wirtschaftspolitische Auflagen akzeptieren.

Reicht die Hilfe nicht, folgt eine zweite Stufe. Dazu haben die Euro-Länder im Juni vergangenen Jahres eine Zweckgesellschaft gegründet, die sich am Kapitalmarkt bis zu 366 Milliarden Euro borgen kann. Für diesen Darlehensrahmen bürgen die 16 Euro-Länder mit insgesamt 440 Milliarden Euro. Damit bekommt die Zweckgesellschaft Spitzenratings am Kapitalmarkt, was ihre Refinanzierungskosten reduziert. Mittel aus der Zweckgesellschaft können bis zum 30. Juni 2013 beantragt werden. Danach werden keine neuen Finanzierungsprogramme aus diesem Vorhaben mehr zugesagt beziehungsweise Garantien übernommen. Eine Folge-Finanzinstitution ist allerdings geplant. Daran sollen sich auch private Gläubiger beteiligen.

Die Staatsverschuldung wird weiter ansteigen und hemmt das Wirtschaftswachstum

Die hohe Staatsverschuldung stellt für die europäischen Länder ein grosses Problem dar. Auf der einen Seite müssen vor allem die grossen Länder hohe Summen in den Europäischen Rettungsfonds einzahlen. Auf der anderen Seite haben alle nationalen Regierungen der Wirtschaft viel Geld zur Verfügung gestellt. Analysten rechnen damit, dass die Staatsschulden in den kommenden drei bis fünf Jahren deshalb weiter ansteigen werden.

Staatlicher Schuldenstand im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt

Annahmen für 2011

Europäische Union (EU-27)

74.0%

Eurozone (Euro-16)

85.0%

Belgien

96.8%

Frankreich

81.7%

Griechenland

143.0%

Irland

96.0%

Italien

119.0%

Portugal

93.0%

Spanien

60.1%

Schweiz

44.0%

USA

95.0%

Wie gemäss der Bank Vontobel eine Studie von Reinhart & Rogoff ergeben hat, verschlechtert sich das Wirtschaftswachstum ab einem Verschuldungsniveau von 90% des BIP signifikant. Bei einer Verschuldung von über 90% soll das Wachstum um 4 Prozentpunkte niedriger ausfallen. Gleichzeitig erschwert das tiefere Wachstum die Rückzahlung der Schulden zusätzlich.

Der Euro begibt sich auf Talfahrt

Neben Griechenland, Irland, Portugal und Spanien droht inzwischen auch Italien die Schuldenkrise. Die Ratingagentur S&P senkte im Mai den Ausblick für die drittgrösste Volkswirtschaft der Euro-Zone auf negativ. Auch Belgien droht eine Herabstufung seiner Kreditwürdigkeit. Bei den Anlegern liess das Sorgen über eine Ausweitung der Schuldenkrise aufflammen und der Euro fiel auf ein Rekordtief von 1,2323 Franken bzw. unter die Marke von 1,40 Dollar. Je nachdem, was mit Griechenland geschieht, soll die Talfahrt des Euro weitergehen, sind UBS-Devisenstrategen überzeugt. Die Marke von 1,20 Franken erachten sie als sehr realistisch.

Eine Umschuldung Griechenlands ist für die EZB keine Option

Die EU-Kommission erhöht derweil den Druck auf Griechenland und fordert eine rasche Einigung über die erforderlichen Sparmassnahmen, bevor im Juni weiterer Milliarden-Hilfen an das Land ausbezahlt werden sollen. Griechenland hatte vor einem Jahr ein Hilfspaket in Höhe von 110 Milliarden Euro bezogen. Denn eine Umschuldung bzw. einen Schuldenschnitt lehnt Jean-Claude Trichet, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), strikte ab. Das würde nämlich sowohl für öffentliche als auch private Staatsanleihebesitzer einen Forderungsverzicht bedeuten. Die EZB droht sogar damit, ab sofort keine griechischen Staatspapiere mehr als Sicherheit zu akzeptieren, sollte die EU eine Umschuldung Griechenlands ins Auge fassen oder die Laufzeiten der Schulden verlängern wollen. Damit wäre Griechenland bankrott und Europa stünde vor einer neuen Welle von Bankkollapsen. Europas Politiker befürchten gar, dass eine Umschuldung zur Flucht der Anleger aus dem Euro führen würde und die Schuldenkrise damit auf weitere europäische Länder übergreifen könnte.

Anleihenmärkte stehen weiterhin unter Druck

Eine Verlängerung der Laufzeiten griechischer Anleihen ist für die Bank Sarasin jedoch immer wahrscheinlicher. Die Diskussion um Griechenlands Schuldenlast belaste ausserdem auch die Kapitalmärkte in Italien und Spanien. Anleihen der Peripherieländer dürften laut Sarasin in den nächsten Monaten unter Druck bleiben. Mit einem Zahlungsausfall in Italien und Spanien rechnen die Bankenexperten hingegen nicht.